Einführung
Warum ein EKG-Kurs?
Das Elektrokardiogramm (EKG) (zu altgr. καρδία kardía ‚Herz‘ und γράμμα grámma ‚Geschriebenes‘) ist die Aufzeichnung der Summe der elektrischen Aktivitäten aller Herzmuskelfasern. Elektrokardiogramm heißt auf Deutsch Herzspannungskurve.
Jeder Kontraktion des Herzmuskels geht eine elektrische Erregung voraus, die im Normalfall vom Sinusknoten ausgeht. Über das herzeigene elektrische Leitungssystem aus spezialisierten Herzmuskelzellen läuft sie zu den übrigen Herzmuskelzellen. Diese elektrischen Spannungsänderungen am Herzen kann man an der Körperoberfläche messen und im Zeitverlauf aufzeichnen. Es ergibt sich ein immer wiederkehrendes Bild der elektrischen Herzaktion. Mit dem EKG lassen sich vielfältige Aussagen zu Eigenschaften und Gesundheit des Herzens treffen. Zu beachten ist, dass das Oberflächen-EKG nur die elektrische Aktivität des Herzmuskels anzeigt, nicht jedoch die tatsächliche Auswurfleistung widerspiegelt.
Autor*innen: Prof. Dr. med. Helmut Wollschläger, Katharina Rostasy, Marit Stenzel
Ein unauffälliges 12-Kanal-EKG
Vorklinik: Die Studierenden lernen bis zum 2. Studienabschnitt, 1. Semester:
– ein 12-Kanal EKG abzuleiten
– die Grundlagen der EKG-Interpretation
- EKG Gerät
- Klebeelektroden/Saugnäpfe
- Kontaktgel/-spray
- Liege
Anlage und Auswertung
Achten Sie bei der Anlage eines EKGs darauf, dass der Patient entspannt liegen kann und nicht friert. Muskelzittern führt zu Störungen bei der Aufzeichnung.
Beginnen Sie mit der Anlage der Extremitätenableitungen.
Dazu benötigen Sie die Elektroden in den Farben rot, gelb, grün und schwarz. Wenn Sie keine selbstklebenden Elektroden haben, geben Sie etwas Kontaktgel oder -spray auf die Saugnäpfe. Beginnen Sie am rechten Arm mit der roten Elektrode. Die Zuordnung können Sie sich leicht über den Anfangsbuchstaben merken:
Rot – Rechts.
Anschließend folgt die Anlage im Uhrzeigersinn der Reihenfolge der Ampelfarben, d.h. gelb am linken Arm, grün am linken Bein. Die übriggebliebene schwarze Elektrode wird am rechten Bein angelegt.
Nun folgen die Brustwandableitungen.
V1 und V2 werden über dem 4. ICR rechts und links parasternal positioniert. Tasten Sie als Orientierungspunkt den Angulus ludovici. Lateral davon befindet sich die 2. Rippe, darunter der 2. ICR, von dem Sie bis auf den 4. ICR runterzählen können. Nun folgt V4 im 5. ICR in der MCL. Positionieren Sie anschließend V3 zwischen V2 und V4 und V5 und V6 lateral von V4.
Schalten Sie das EKG Gerät an und stellen Sie den Vorschub ein. In Deutschland ist der gebräuchliche Vorschub 50 mm/s.
Die häufigsten Fehlerquellen bei der EKG Anlage sind:
– Störungen durch Muskelzittern oder Bewegungen des Patienten
– falsche Reihenfolge der Elektroden
– falscher Papiervorschub
Wir zeigen Ihnen hier ein basales EKG Auswertungsschema
1. Frequenz: Bestimmen Sie zunächst die Frequenz: diese kann man mittels EKG-Lineal-Skala bestimmen, indem man den nach oben gerichteten Pfeil am linken Rand der Skala auf die Spitze eines gut sichtbaren R eines beliebigen QRS-Komplexes setzt, um dann auf der Skala die Frequenz an der Stelle abzulesen, an der die Spitze des übernächsten R („2xRR“) bzw. des drittnächsten R („3xRR“) zu liegen kommt.
Alternativ (vor allem bei Vorliegen einer absoluten Arrhythmie) können Sie alle QRS-Komplexe auf dem DinA4-Ausdruck zählen und mit 10 multiplizieren. Bei einem Vorschub von 50mm/sek entspricht das DinA4-Blatt im Querformat in etwa 6sek, d.h. wenn Sie die Anzahl der Komplexe mit 10 multiplizieren, erhalten Sie die Frequenz pro Minute
2. Rhythmus: Zur Überprüfung der Regelmäßigkeit des Rhythmus nimmt man am besten ein Blatt Papier, zeichnet an dessen Kante den Abstand zweier QRS-Komplexe ein und verschiebt das Blatt zum nächsten QRS Komplex. Haben alle QRS-Komplexe den gleichen Abstand zum nächstgelegenen, ist das EKG rhythmisch.
Zur erweiterten Rhythmusanalyse gehört die Klärung der Frage, ob P-Wellen vorhanden sind und ob jedem P im gleichen Abstand stets ein QRS-Komplex folgt.
3. Zeiten: Messen Sie anschließen die Dauer der P-Welle, der PQ-Zeit, des QRS Komplexes und die QT-Zeit:
Dabei gilt die Faustregel 100 – 200 – 100:
P ≤ 100msek
PQ ≤ 200msek
QRS ≤ 100msek
Die QT-Zeit ist frequenzabhängig zu bewerten, weshalb man der Einfachheit halber mit der korrigierten QT-Zeit arbeiten kann. Diese errechnet sich aus der Formel nach Bazett:
QTc= QTgemessen/√RR
Sie sollte QTc ≤ 450msek betragen.
4. R-Progression: Des Weiteren wird die sogenannte R-Progression in den Brustwandableitungen V1 bis V5 und die S-Reduktion in V1 bis V6. Der positive Ausschlag (R) des QRS-Komplexes soll von „oben nach unten“ kontinuierlich zunehmen, der negative Ausschlag (S) abnehmen. Die T-Welle in V2-V6 soll positiv sein, in V1 darf sie sowohl positiv als auch negativ sein:
5. R-T-Konkordanz: In den Einthoven-Ableitungen (I,II,III) sollen der QRS-Komplex und die T-Welle jeweils die gleiche Ausschlagrichtung haben: Wenn QRS in II positiv ist, muss auch die T-Welle positiv sein. Man spricht hier von R-T-Konkordanz.
6. Isoelektrische: Die ST-Strecke sollte bei einem physiologischen EKG auf der sogenannten isoelektrischen Linie liegen. Liegt sie darüber oder darunter spricht man von ST-Strecken-Hebung (z.B. bei einem STEMI) bzw. –Senkung (z.B. medikamenteninduziert):
7. Lagetyp: Zunächst sucht man in den Extremitätenableitungen die Ableitung mit der größten R-Zacke. Diese vergleicht man mit den R-Zacken der auf dem Cabrerakreis benachbarten Ableitungen. Ist z.B. das größte R in aVF zu finden, vergleicht man II und III. Ist II größer, handelt es sich um einen Steiltyp, ist III größer, handelt es sich um einen Rechtstyp. Alternativ sucht man die senkrechte Ableitung auf das größte R und schaut, ob diese positiv oder negativ ist.
Normalbefund
“Sinusrhythmus, HF 80/min, Linkstyp, PQ-, QRS- und QT-Strecke im Normbereich. In den Brustwandableitungen kleines Q in V5-V6, regelrechte R-Progression, S-Zacke bis V5, keine ST-Hebungen, keine Repolarisationsstörungen, Konkordanz der Kammerendteile, keine Hypertrophiezeichen, kein Schenkelblock.”
Interpretation: Altersentsprechender Normalbefund.